Montag, 31. März 2014

Konzertkritik 31.03.2014 SZ

Herr Geidt, warum geben Sie eigentlich in Zeiten von twitter, youtube und facebook noch Konzerte? Nun, genau wegen diesen Momenten NACH dem Konzert, nette Leute, gutes Essen, anregende Gespräche und das Gefühl, die Welt ein wenig farbiger gemacht zu haben. Herr Jenner, noch ein Schüsselchen Chips?? Darüber berichtet auch diese schöne Konzertkritik von Herrn Mallinowski (Foto Hans Adam)




Mit Wort und Akkord den Zeitgeist punktgenau getroffen

David Mallinowski
Liedermacher Henrik Geidt stellte am Samstag im Saarbrücker Café Jules seine neue CD „Rien ne va plus“ vor. Der ausgebildete Konzertsänger reimte und staunte dabei musikalisch gekonnt über die Ungereimtheiten des Lebens. (Veröffentlicht am 31.03.2014)

Saarbrücken. Er hat es einfach nicht mit Namen, aus seinem fahrigen Namensgedächtnis macht Henrik Geidt aber auch keinen Hehl. „Herr Soundso“ ist für den Pianisten inzwischen zum geflügelten Wort geworden. Die Namen der Zuhörer, mit denen er vor Beginn plaudert, hat er auf dem Klavierhocker längst vergessen. Brigitte Bardot erinnert der Chansonnier nur noch als „Frau Soundso“. „Kennen wir uns nicht?“ Seine schelmische Ausflucht: „Ich hab' ein Allerweltsgesicht.“ Dem eigenen Makel bewusst, ist der Liedermacher ein feiner Alltagsskizzierer. Das passt: Mareike Taubmann, der Inhaberin des Café Jules, wo Henrik Geidt am Samstagabend seine neue CD „Rien ne va plus“ vorstellt, entfällt während ihrer Anmoderation der Name des begleitenden Kontrabassisten. Henrik Geidt stellt seinen symbiotischen Mitarbeiter Jörg Jenner selbst vor.

Geheimtipp der Szene

Der Alltagsphilosoph weiß um die eigenen Fettnäpfchen, wohl aber auch um die, in die jedermann mal stapft. Der Geheimtipp der deutschen Liedermacherszene nimmt die historischen Fehltritte Barbarossas', Kolumbus' und Napoleons in Schutz – „Besserwisser“, so der Name des Stücks, sind schließlich vor allem erst hinterher immer schlauer. Der ausgebildete Konzertsänger reimt und staunt über die Ungereimtheiten des Lebens, am besten auszumachen beim Titelstück: „Damit es nicht sofort auffällt, wird es als relevant dargestellt.“ „Rien ne va plus“ behandelt die Finanzkrise und die Menschen, die sie hervorriefen. Henrik Geidt trifft Töne und Zeitgeist punktgenau, findet feine Akkorde zu treffend gewählten Worten. Die werden nicht hinausposaunt, sondern in sprachliche Raffinesse gehüllt. „Statt einer Waffe wähle ich die Stichnadel“, singt er. Die Stimme sonor und mit viel Wärme, das Klavierspiel fein harmonisiert und bes(ch)wingt arrangiert, lässt er in der Wohnzimmeratmosphäre des Cafés auch persönlich tief blicken, „Kinderzeit“ ist eine Ode an die selbige, „Eine, die mich mag“ die Liebesbekundung an die Tochter.

Zwischen Jazz und Pop

Musikalisch zwischen Liebes-Schlager („Süße Liebe“), Bar-Jazz zum Thema Gesprächsetikette („Darüber spricht man lieber nicht“) und süßem Pop (die romantisch getragene Liebesballade „Salz“) sozialisiert, lässt man sich von Henrik Geidt gern den Spiegel vorhalten. Er hat es zwar nicht mit Namen, wohl aber mit denen, die sie tragen.

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